Arabisches Schattenspiel

Der Leuchtturm von Alexandria, hergestellt 1872 (entspricht der Inschrift über der Tür 1289 AH). Titelfigur des gleichnamigen ägyptischen Schattenspiels. 150 cm hoch, erworben von Paul Kahle 1909.

Das Arabische Schattenspiel (arabisch خيال الظل chayāl az-zill, DMG ḫayāl aẓ-ẓill al-ʿarabī ‚Phantasie der Schatten‘) gehört zur asiatischen Tradition des Schattenspiels und wird im 11. Jahrhundert erstmals in einer schriftlichen Quelle erwähnt. Es ist von dem seit frühislamischer Zeit bekannten arabischen Theater (chayāl) mit kostümierten menschlichen Charakterdarstellern (chayālī) zu unterscheiden.

In den drei erhaltenen Stücken des in Kairo lebenden Dichters Muhammad ibn Dāniyāl (1248–1311) wird eine eigene Form des Schattenspiels in Ägypten erkennbar. Die Texte sind als Gedichte und Reimprosa (maqāma) verfasst. Die Hauptfigur des ersten Stücks will nach einem detailreich geschilderten lasterhaften Leben eine bürgerliche Familie gründen. Im zweiten Stück treten nacheinander Gaukler, Trickdiebe und andere zwielichtige Gestalten auf und im dritten Stück geht es um eine homosexuelle Liebesaffäre mit allerlei Ausschweifungen, die nach der Reue des Protagonisten zu einem moralischen Ende mit einer „gerechten Strafe“ findet. Die mit Figuren aus getrockneter Tierhaut aufgeführten Schattenspiele handelten vom Alltag in Kairo und erfreuten sich bis zu ihrem allmählichen Verschwinden nach dem 16. Jahrhundert bei allen Schichten des ägyptischen Volkes großer Beliebtheit. Wahrscheinlich beeinflussten sie das türkische Karagöztheater, dessen ältestes Stück aus dem 16. Jahrhundert überliefert ist.

Im 19. Jahrhundert berichteten europäische Forschungsreisende von anspruchslosen, häufig obszönen Vorstellungen in den Städten des Maghreb, deren Inhalte und Charaktere verflachte Übernahmen des in den Gebieten des Osmanischen Reichs bekannt gewordenen türkischen Schattentheaters waren. Dessen Hauptfigur heißt seit dem 17. Jahrhundert Karagöz. Im Maghreb wurde diese Volksunterhaltung 1843 von den französischen Kolonialbehörden verboten, aber in ihrer derben Sprache bis Anfang des 20. Jahrhunderts gepflegt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das ägyptische Schattenspiel durch Hasan el-Kaschasch wiederbelebt, der Stücke aus der Zeit Ibn Dāniyāls aufgriff und in modifizierter Form präsentierte. Um die Mitte des 20. Jahrhunderts war auch dieses erneuerte ägyptische Schattenspiel praktisch nicht mehr existent.


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