Mit Bildungsbenachteiligung in der Bundesrepublik Deutschland wird die bildungsspezifische Benachteiligung von Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, die über geringe kulturelle, soziale oder finanzielle Ressourcen verfügen. Der Begriff impliziert nicht vorsätzliche oder bewusste Diskriminierung, sondern konstatiert statistisch ein relatives Schlechterabschneiden dieser Gruppen bei der Verteilung von Bildungschancen und beim Erreichen von Bildungserfolgen in der bundesdeutschen Gesellschaft. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es in Deutschland ein übergreifendes, aber kein vollständig einheitliches Bildungssystem gibt, da Bildung und Kultur Angelegenheit der Bundesländer sind, was zu regionalen Unterschieden führt. Mit der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie 2001 wurde das Thema Bildungsbenachteiligung wieder verstärkt diskutiert und ist seither regelmäßig Thema in den Medien und der Öffentlichkeit. Anlässlich der Veröffentlichung der IGLU-Studie und PISA-Studie von 2007 sprach auch Bundespräsident Köhler davon, dass die Bildungsbenachteiligung im deutschen Bildungssystem eine „unentschuldbare Ungerechtigkeit“ sei, die nicht nur den Betroffenen schade, sondern auch „eine Vergeudung von Humanvermögen“ darstelle.[1][2]
Laut Grundgesetz darf in Deutschland niemand aufgrund seiner Herkunft benachteiligt werden, womit auch die soziale Herkunft gemeint ist.[3] Dennoch stellte das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2017 auf seiner Internetpräsenz fest: Es „… entscheidet in kaum einem anderen Industriestaat die sozio-ökonomische Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland. Zugleich gelingt es in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich schlechter, Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gute schulische Kompetenzen zu vermitteln. Wenn wir die Zukunftschancen der jungen Generation in Deutschland sichern wollen, muss das Schulsystem in Deutschland mehr Kinder und Jugendliche zu höheren Bildungsabschlüssen führen – und zwar unabhängig von ihrer Herkunft.“[4][5] Der Soziologe Hartmut Esser konstatierte 2016, dass Kinder aus Migrantenfamilien „zweifellos […] in den Bildungseinrichtungen besondere Hürde zu überwinden“ hätten. Diese lägen insbesondere im geringen sozialen Status der Familien. Gleichzeitig sei es „eine Mär, dass sie Kinder mit Migrationshintergrund in Deutschland systematisch benachteiligt werden“. Bei Noten gebe es bei gleichen Leistungen so gut wie keine Unterschiede und die Empfehlungen seien sogar eher großzügiger als bei Kindern von Einheimischen.[6]
Tatsächlich konstatieren diverse Bildungsstudien eine Benachteiligung von Menschen mit einer niedrigen sozialen Herkunft. Dabei hat sich die soziale Benachteiligung verschoben: während noch in den 1970er Jahren „Katholische Arbeitertochter vom Land“ eine Formel für Mehrfachbenachteiligung war, wird heute eher vom „Türkischen Jugendlichen aus dem Problemviertel“[7] oder vom „Migrantensohn“[8] gesprochen. Geblieben ist als Merkmal für Bildungsbenachteiligung die Herkunft aus niedrigen sozialen Schichten.
Bildungsbenachteiligung ist über soziale Indikatoren messbar (siehe Kapitel zur Methodik) und hat absolute oder relative Bildungsarmut zur Folge.[9]
Im deutschsprachigen Raum existieren verschiedene Organisationen, welche sich in der Bekämpfung der Bildungsbenachteiligung engagieren: ArbeiterKind.de, Rock Your Life und Teach First Deutschland.