Unter der Bezeichnung Methodenanarchismus vertritt Paul Feyerabend in der Erkenntnistheorie die Auffassung, dass es keine universellen einfachen Regeln und Methoden gibt, die für alle Wissensbereiche gleichermaßen gültig sind und Rationalität garantieren können. Er beschreibt Wissenschaft deswegen als pluralistisch sowie anarchistisch. Ihr wird in den einzelnen Wissensgebieten keine generelle Law-and-Order-Methodologie von außen aufgezwungen. Vielmehr bestimmt sie die jeweils akzeptierten Methoden in ihren Bereichen frei und autonom selbst,[1] um wahre und sinnvolle Ergebnisse zu erzielen.
Neben dem Konzept der Inkommensurabilität begründet Feyerabend seine Auffassung mit detaillierten historischen Fallstudien, speziell zu Galileo Galilei. Wissenschaftlicher Fortschritt sei nur deswegen möglich gewesen, weil Wissenschaftler wiederholt gegen die jeweiligen propagierten methodischen Regeln ihrer Zeit verstoßen haben.
Befürchtungen, dass dieser Anarchismus zu einem Chaos führen könnte, entgegnet er, dass das menschliche Nervensystem zu gut organisiert sei, um dies zuzulassen. Dies garantiere, dass sogar in unterbestimmten und doppeldeutigen Situationen eine einheitliche Aktion schnell erreicht werde. Dieser Anarchismus lasse es durchaus auch zu, dass es Zeiten geben könne, in denen der Ratio ein temporärer Vorteil eingeräumt werden müsse und in denen es angebracht sei, deren Regeln gegen alles andere zu verteidigen.[2]