Nathalie ist ein französischsprachiges Chanson, dessen Text von Pierre Delanoë verfasst und das im Februar 1964 von Gilbert Bécaud, der auch die Musik dazu geschrieben hat, veröffentlicht wurde. Das 4:07 Minuten lange Lied erschien zunächst in Frankreich sowohl auf Vinyl-Single als auch als EP bei Pathé-Marconis Label La voix de son maître.[1] Im Juli 1965 folgte in der Bundesrepublik Deutschland eine Doppelveröffentlichung des Chansons; Electrola gab gleichzeitig die französische (mit der B-Seite L’Orange) und eine deutschsprachige Fassung[2] mit Nimm dir doch Zeit (Il faut marcher) als B-Seite heraus. Nathalie war nicht Bécauds kommerziell erfolgreichste Platte, aber sie wurde zu einem seiner international größten Erfolge, der auf kaum einer seiner Best-of-Kompilationen fehlt.
Der politische Kontext der Entstehung und Veröffentlichung dieses Liebeslieds hat zu einer Rezeption geführt, die über den Bereich der Unterhaltungsmusik weit hinausreicht. Die Jahre 1964 und 1965 markieren den Übergang von der Hochzeit des Ost-West-Konfliktes hin zu einer anfangs noch sehr vorsichtigen, hauptsächlich auf kulturellem und touristischem Feld stattfindenden Öffnung der UdSSR speziell gegenüber Frankreich. Diese Gleichzeitigkeit ist eine Ursache dafür, dass das Lied insbesondere in Frankreich auch im 21. Jahrhundert noch Gegenstand von politik- und literaturwissenschaftlichen Untersuchungen und Einordnungen ist.
Eine zusätzliche Besonderheit dieses Chansons liegt darin, dass eine Transformation der fiktiven Person Nathalie in die Realität stattgefunden habe, wie es der Romanist Matei Chihaia, der auch vom „Faszinosum Nathalie“ spricht, formuliert hat:[3]
„Durch zahlreiche Verfahren tritt Nathalie aus dem Universum des Lieds heraus und wird gleichsam lebendig.“
Nathalie gilt zudem als „repräsentatives Beispiel des ‚Systems Bécaud‘“, der in seinen Liedern gerne einfache Geschichten erzählte, in denen aber prägnante Charaktere dargestellt werden und die den Hörer aufgrund ihrer passenden, dichten Stimmung ansprechen.[4] Dass die darin geschilderte Handlung für realistisch gehalten werden könnte, verdankt sie auch der für Bécauds gesanglichen Vortrag ebenfalls typischen Präsenz als Ich-Erzähler.[5]