Obelerio Antenoreo

Der Herrschaftsbereich um die Lagune von Venedig um 840
Das angebliche Wappen des Dogen „Obeligerio Belinzier“. Mehrere patrizische Familien führten sich auf den Dogen, bzw. seine Familie zurück, darunter die Calbo, Querini und Canal.[1] Bei den Wappen frühmittelalterlicher Dogen handelt sich um bloße Rückprojektionen neuzeitlicher Familienwappen. Die Heraldik setzte erst im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts ein. Später wurden auch Wappen an die frühen Dogen vergeben, die nie ein Wappen geführt hatten („fanta-araldica“); dies diente dazu, die Familien dieser Epoche mit möglichst frühen Dogen in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu setzen, was ihnen Ansehen sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss verschaffte. Es wurden also die Wappen der sehr viel späteren Nachfahren dieser Dogen, vor allem seit dem 17. Jahrhundert, auf die angeblichen oder tatsächlichen Mitglieder der (angeblich) seit 697 in Venedig herrschenden Familien zurückprojiziert.[2]

Obelerio Antenoreo († um 829) war nach der venezianischen Tradition, wie die staatlich kontrollierte Geschichtsschreibung der Republik Venedig genannt wurde, der 9. Doge von Venedig. Er war zunächst Tribun von Metamaucum – oft fälschlicherweise mit Malamocco gleichgesetzt – und regierte von 804 bis 810 als Doge die Orte der Lagune von dort aus. In den Quellen erscheint er als Willeri (Fränkische Reichsannalen), auch als Belenger, vor allem aber als Obelerius oder Obelierius. Er war der letzte Doge, der in Metamaucum residierte, alle seine Nachfolger amtierten hingegen vom Dogenpalast aus, im historischen Zentrum Venedigs gelegen.

Obelerius war ein Vertreter einer Anlehnung an das Frankenreich, obwohl der Dukat Venedig zum Byzantinischen Reich gehörte. 804 gelang es ihm, seinen byzanz-freundlichen Vorgänger Iohannes Galbaius nebst seinem Sohn Mauritius (II.) zu stürzen und zur Flucht ins Exil zu zwingen. Die Volksversammlung erhob seine beiden Brüder Beatus und Valentinus zu Mitdogen, sodass von drei Dogen die Rede ist.

805 besuchte er Karl den Großen auf einem Hoftag und vermählte sich dort mit einer fränkischen Frau, deren Name nicht überliefert ist. Konstantinopel, das mit Karl im Streit um die Kaiserfrage lag (Zweikaiserproblem), unterstrich mit drei Flotten-Interventionen seinen Anspruch auf die Lagune von Venedig. Im Zuge der Auseinandersetzungen griff Pippin, einer von Karls Söhnen, Venedig mit einem Reiterheer an. Er konnte alle festen, ufernahen Plätze erobern, doch scheiterte sein Heer nach venezianischer Überlieferung beim Überqueren einer Brücke, mit deren Hilfe er Rialto erobern wollte. Obelerius und Beatus verpflichteten sich womöglich zu einer Tributleistung an König Pippin, der jedoch 810 starb. So gewann Byzanz, das zum letzten Mal seine Flotte in die Lagune steuerte, letztlich die Oberhand. Obelerius und seine Brüder wurden gestürzt.

Rialto wurde infolge dieser Ereignisse 811 zum Sitz des neuen Dogen Agnello Particiaco, des Nachfolgers der drei Brüder. Möglicherweise ging die Initiative aber auch von Beatus aus. Vielleicht erfolgte diese endgültige Verlegung der Residenz, weil Rialto seit Pippin als sicherer galt, womöglich aber auch, weil Obelerius in Metamaucum noch immer eine Machtbasis hatte. Ein Versuch, von dort aus die Macht zurückzugewinnen, scheiterte um 829. Obelerius wurde hingerichtet, Metamaucum niedergebrannt.

  1. Andrea Da Mosto: I Dogi di Venezia, Venedig 1939, Nachdruck: Mailand 2003, S. 5.
  2. „Il presupposto di continuità genealogica su cui si basava la trasmissione del potere in area veneziana ha portato come conseguenza la già accennata attribuzione ai dogi più antichi di stemmi coerenti con quelli realmente usati dai loro discendenti.“ (Maurizio Carlo Alberto Gorra: Sugli stemmi di alcune famiglie di Dogi prearaldici, in: Notiziario dell'associazione nobiliare regionale veneta. Rivista di studi storici, n. s. 8 (2016) 35–68, hier: S. 41).

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