Pietro IV. Candiano

Angebliches Wappen des „Pietro Candiano“. Bei den Wappen frühmittelalterlicher Dogen handelt sich um bloße Rückprojektionen von Familienwappen, in diesem Falle aus dem frühen 17. Jahrhundert. Die Heraldik setzte jedoch erst im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts ein, später wurden rückblickend auch Wappen an die frühen Dogen vergeben, die nie ein Wappen geführt hatten („fanta-araldica“); dies diente dazu, die Familien dieser späteren Epoche mit möglichst frühen Dogen in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu setzen, was ihnen Ansehen sowie politischen und gesellschaftlichen Einfluss verschaffte und letztlich den Zugang zum Dogenamt.[1]

Pietro IV. Candiano, in den zeitlich näheren Quellen Petrus Candianus († 11. August 976 in Venedig), war nach der traditionellen, vom Staat gesteuerten Geschichtsschreibung der Republik Venedig ihr 22. Doge. Zunächst wurde er Mitdoge seines gleichnamigen Vaters, doch kam es bald zwischen den beiden zu Streitigkeiten, dann zu Kämpfen ihrer Faktionen in der Stadt, an deren Ende der Sohn verbannt wurde. Die Gemeinde leistete einen Eid, den Sohn niemals zum Dogen zu wählen. Der Verbannte, der sich einige Monate als Pirat gegen venezianische Kauffahrer betätigt hatte, wurde trotz dieses Eides nach dem Tod des Vaters ehrenvoll aus Ravenna zurückgeholt und noch im Jahr 959 zum Dogen gewählt. Dabei ließ er als erster Doge das gesamte Volk einen Treueid auf seine Person schwören. Auch ließ er sich nicht mehr nur als dux bezeichnen, sondern auch als princeps. Er regierte bis zu seinem Sturz im Jahr 976.

Petrus IV. nutzte die zersplitterten Machtverhältnisse in Oberitalien, lehnte sich dann aber an die dort neu auftretende Großmacht, nämlich an die römisch-deutschen Kaiser Otto I. und Otto II. an. Er verstieß seine erste Frau Johanna – jedenfalls wurde sie Äbtissin – und erwarb durch die Ehe mit einer Lombardin namens Waldrada, einer Verwandten Ottos I., umfangreiche Güter. Jüngst wurde die Frage aufgeworfen, ob der Doge nicht versucht habe, sich auf diese Weise außerhalb der Lagune von Venedig ein eigenes Territorium zu schaffen. Die Güter zogen den Dogen in bewaffnete Konflikte auf Reichsboden.

Wie das Römisch-deutsche Reich, so trat zu dieser Zeit auch Byzanz, zu dem Venedig formal immer noch gehörte, wieder stärker in Erscheinung. Dessen Armeen gelangen erhebliche Gebietsgewinne im Kampf gegen die islamischen Nachbarreiche. Kaiser Johannes Tzimiskes untersagte den Venezianern unter Gewaltandrohung Handelskontakte zu den Sarazenen mit kriegsrelevanten Gütern.

Petrus wurde 976 trotz west-kaiserlicher Unterstützung in einem Aufstand mitsamt seinem kleinen Sohn ermordet, womit der Jahrzehnte währende Versuch scheiterte, eine Dynastie der Candiano zu etablieren. Dabei stellten die Candiano zwischen 887 und 979 fünf Dogen. Petrus IV. war der vorletzte in der Reihe der Candiano-Dogen, die die Particiaco-„Dynastie“ abgelöst hatten. Er war der Urenkel des ersten Dogen dieser Familie, der letzte Candiano-Doge war Vitale Candiano († 979), der allerdings nur wenig mehr als ein Jahr herrschte. Seine Herrschaft erwies aber, dass es keineswegs zu einer vollständigen Entmachtung der Familie des 976 getöteten Dogen gekommen war. Marina Candiano, eine Tochter Pietros und seiner ersten Frau Johanna, damit Schwester des Patriarchen Vitale, heiratete den Nachfolger des letzten Candiano auf dem Dogenstuhl.

Während des Aufstands gegen Petrus kam es zu einem verheerenden Stadtbrand. In dessen Verlauf wurde neben der Markuskirche und angeblich mehr als 300 Häusern auch das Archiv vollständig vernichtet. Dies hat für die Kenntnis der Geschichte Venedigs für die Zeit vor 976 gravierende Folgen. Dass durch Johannes Diaconus nicht nur die älteste venezianische Chronik, die Istoria Veneticorum entstand, sondern diese nur wenige Jahrzehnte nach der Katastrophe abgefasst wurde, ist eine wesentliche Ursache für eine ungewöhnlich dichte Schilderung der Vorgänge. Hingegen ist die Zeit nach dieser Chronik (nach 1008) kaum quellenreicher als die Zeit vor Johannes Diaconus.

  1. Es wurden also die Wappen der sehr viel späteren Nachfahren dieser Dogen, vor allem seit dem 17. Jahrhundert, auf die angeblichen oder tatsächlichen Mitglieder der (angeblich) seit 697 in Venedig herrschenden Familien zurückprojiziert: „Il presupposto di continuità genealogica su cui si basava la trasmissione del potere in area veneziana ha portato come conseguenza la già accennata attribuzione ai dogi più antichi di stemmi coerenti con quelli realmente usati dai loro discendenti“ (Maurizio Carlo Alberto Gorra: Sugli stemmi di alcune famiglie di Dogi prearaldici, in: Notiziario dell'associazione nobiliare regionale veneta. Rivista di studi storici, n. s. 8 (2016) 35–68, hier: S. 41).

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