Wissenschaftskritik

Wissenschaftskritik bezeichnet eine Form der kritischen Bewertung von Wissenschaft. Als derart meta-wissenschaftliche Darstellung fällt sie in den Bereich der Wissenschaftstheorie oder Philosophie der Wissenschaft. Wenn die Wissenschaftskritik sich gegen moralisch bedenkliche Verfahren oder Folgewirkungen der Wissenschaften richtet, überschneidet sie sich mit der Wissenschaftsethik.

In der Regel enthält Wissenschaftskritik sowohl bejahende als auch verneinende Elemente: Im ursprünglichen Sinn von Kritik (gr. krinein = trennen, unterscheiden) bewertet sie wissenschaftliche Methoden, Resultate, Aussagen und Geltungsansprüche hinsichtlich ihrer epistemischen Wahrheit, moralischen Richtigkeit und sozialen Nützlichkeit.

Wissenschaftskritik kann sehr verschiedene Formen annehmen: essayistische (Nietzsche[1]), systematische (Kant[2]), theoretische (Popper[3]) oder literarische (Goethe[4], Brecht[5], Dürrenmatt[6]). Ihre Mittel umfassen Vernunft- und Rationalitätskritik[7] (Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie), Aufklärungs- und Modernitätskritik[8] (Romantik, Postmoderne, Postkolonialismus), Gesellschafts- und Kulturkritik (Marxismus und Ideologiekritik), Technikkritik und Technikfolgenabschätzung (Phänomenologie und politische Philosophie) sowie Sprach- und Methodenkritik (Linguistik, Sprachphilosophie und Kulturphilosophie).

Friedrich Kambartel unterscheidet zwei Grundorientierungen der Wissenschaftskritik: zum einen verteidigt sie die lebensweltliche Praxis gegenüber wissenschaftlicher Unterwanderung (Phänomenologie, Kritische Theorie), zum anderen bemüht sie sich um eine "Reform der Wissenschaften an ihren Grundlagen"[9] (Kritische Wissenschaftstheorie und Methodischer Konstruktivismus). So gesehen, gehören „kritische Prüfung und konstruktive Rechtfertigung“[10] in Wissenschaftskritik zusammen: Sie will „auch die methodischen Grundlagen für eine wissenschaftstheoretische Reform und die Ausarbeitung von Alternativen zu etablierter Wissenschaftspraxis an die Hand geben.“[11]

Eine Form institutionalisierter Wissenschaftskritik verkörpert der deutsche Wissenschaftsrat. Er erstellt Empfehlungen, Gutachten und Stellungnahmen zu wissenschaftlichen Einrichtungen, um die Politik bei der Wissenschaftsförderung zu beraten. Eine analoge wissenschaftskritische Beratungsfunktion für Politik und Gesellschaft erfüllt, vor allem in ethischer Hinsicht, der deutsche Ethikrat.

  1. Friedrich Nietzsche: Die Fröhliche Wissenschaft, Buch 1, Leipzig 2000.
  2. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Frankfurt a. M. 1974.
  3. Karl Popper: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf, Hamburg 1973.
  4. Johann Wolfgang von Goethe: Faust I (1. Teil: „Die Gelehrtentragödie“), München 1977.
  5. Bertolt Brecht: Leben des Galilei
  6. Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker
  7. Vernunft/Vernunftkritik, auf vr-elibrary.de
  8. Aufklärungs-Kritik und Aufklärungs-Mythen. Horkheimer und Adorno in philosophiehistorischer Perspektive, auf hsozkult.de
  9. Friedrich Kambartel: Artikel „Wissenschaftskritik“, in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Stuttgart 1996, Band 4, S. 730.
  10. Peter Janich, Friedrich Kambartel, Jürgen Mittelstraß: Wissenschaftstheorie als Wissenschaftskritik, Frankfurt a. M. 1974, S. 39.
  11. Peter Janich, Friedrich Kambartel, Jürgen Mittelstraß: Wissenschaftstheorie als Wissenschaftskritik, Frankfurt a. M. 1974, S. 21.

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